Lichtbringer in vierter Generation

In der Werkstatt von Klaus Hübner werden die Laternchen für das Bad Homburger Fest hergestellt wie zu Großvaters Zeiten.

Wer in der Rhein-Main-Region geboren ist, verbindet mit den nur drei Zentimeter hohen Messinglaternchen, die mittels zweier an eine große Flachbatterie angeschlossener Kabel ein Birnchen zum Leuchten bringen, zumeist nostalgische Gefühle.

Sie sind ein Teil der kollektiven Erinnerung, werden von Kindern am Stand auf dem Bad Homburger Laternenfest zum Kauf durch die Eltern erbettelt, und wandern bei vielen Besuchern später in die Weihnachtskrippe oder Puppenstube.

Laternchen zieren die Brust zahlreicher Teddys und Puppen, sie werden als Blickfang in die modellierte Landschaft von Spielzeugeisenbahnen gesetzt und helfen Kindern nachts nach mancher Albtraumstunde durch ihr sanftes rotes oder grünes Licht wieder einzuschlafen.

Diese und ähnliche Geschichten längst erwachsener Menschen kennt Klaus Hübner zuhauf. Sie tragen dazu bei, dass der Unternehmer immer noch in kleiner Stückzahl fürs Laternenfest weiter produziert. Der Lichtbringer folgt dabei in vierter Generation einer Familientradition.

„Feuerwerk in der Westentasche“

„Laternchen Hübner“ steht recht unscheinbar auf einer Scheibe des schiefen Werkstatthäuschens in Neu-Anspach. Hier sei alles noch so unverändert, wie es ihm sein Vater Adolf 1955 hinterlassen habe. Seine Mutter Gertrud, die nebenan wohne, könne er trotz ihrer 90 Jahre nur mühsam davon abhalten, immer noch wie früher die aus acht Teilen bestehenden Laternen zusammenzubauen.

Die Stanzmaschinen und eigens für die Herstellung der Laternchen bestimmten Formen und Werkzeuge stammen allesamt noch aus den frühen fünfziger Jahren. Damals hatte Adolf senior, der Großvater Hübners, die zündende Idee. Der Werkzeugmacher aus Gablonz im Sudetenland war dort auf die Herstellung von „Bijouteriewaren“ – Modeschmuck aus Metall – spezialisiert. Als Flüchtling nach Bad Homburg gekommen, wusste er diese Fähigkeiten zu nutzen. Er stellte gemeinsam mit seinem Sohn Adolf Stanzmaschinen für den Laternchen-Prototyp her und ließ sich das Ergebnis patentieren.

Das fürs Jackett- und Jackenrevers der Gäste des Bad Homburger Laternenfests 1950 eingeführte illuminierte Geschenk erfreute sich sofort großer Beliebtheit. Das „Feuerwerk in der Westentasche“, wie der Werbeslogan damals hieß, war schnell ein Renner. Kein Lichterfest kam mehr ohne die Lampions aus.

Wandel des Zeitgeistes

In den neunziger Jahren gingen die Stückzahlen dann stetig zurück, wie Hübner sagt. Längst ernährt der Chef der „Illuart“ in Schmitten seine Familie durch den Vertrieb von leuchtenden Bunny-Ohren, blinkenden Brillen und wirbelnden Leuchtkugeln. Alle Versuche, das Urmodell mit Plastik oder in blinkender Form moderner zu gestalten, seien gescheitert und Flops geworden. „Die Laternchen sind heute ein Hobby“, gesteht er. Verdienen lasse sich an den 1000 für das Laternenfest produzierten Leuchtkörpern nichts. Sollten die Werkzeuge kaputtgehen, lohne sich der Aufwand bei aller nostalgischen Liebe überhaupt nicht mehr. Er wünsche sich deshalb eine intensivere Kooperation mit Stadt und Laternenfestverein und könne sich auch vorstellen, die Laternchenproduktion ganz einer schützenden Behindertenwerkstatt zu übergeben.

An welch seidenem Faden die Zukunft des Laternchens hängt, ist den politisch Verantwortlichen in Bad Homburg durchaus bekannt. Er halte jedes Jahr die Luft an, dass Hübner weitermache, sagt Bürgermeister Karl Heinz Krug (SPD). Ein Geschäft sei mit den Laternchen nicht zu machen. Sein Exemplar stehe schon für den heutigen Einsatz des Magistrats beim Laternenfest bereit, verrät Krug.

Schwärmen für die Laternchen

Eine solche Verbundenheit der Bad Homburger Bürger zu ihrem Laternchen würde sich auch Hübner wünschen. Zehntausende Exemplare müssten sich schon im Besitz der Besucher befinden. Es wäre doch schön, wenn sie alle zu Tausenden mit den Laternchen über das Fest schlenderten. Von einer derart illuminierten Homburger Nacht träumt Hübner, der sich ein Stück weit die Romantik bewahrte: Was ihn immer wieder bewege, sich an die Werkbank zu stellen, seien die leuchtenden Augen bei kleinen wie großen Besuchern, sagt er.

Und da sich offenbar auch seine erwachsenen Söhne, die sogar aus Innsbruck anreisen, um beim Laternenfest dabei zu sein, diesen emotionalen Zugang bewahrt haben, erhellt das Bad Homburger Laternchen wohl noch viele Nächte. So schwärmte Hübners jüngster Sohn, der 20 Jahre alte Valentin aus der vierten Lichtbringer-Generation, zuletzt am Verkaufsstand: „Es ist einfach ein wunderbarer Job, leuchtende Glühwürmchen an Eltern und ihre Kinder zu verkaufen.“